Was wurde uns nicht alles eingeredet, dass wir‘s nötig hätten: Jede Menge Anschaffungen und Spaß bis die Schwarte kracht. Inzwischen ist es so etwas wie die viel zitierte Zeitenwende: unabsehbare Folgen des Klimawandels, Tausende Ertrunkene im Mittelmeer, im Krieg scheint der Stärkste sich wieder das Recht auf Weltgestaltung zu nehmen, Post-Covid und erstarkender Populismus – die Stimmung scheint zu drehen. Gang und gäbe war ein Verrücktspielen ohne Vernunft, neulich wollte man noch Menschen klonen. Aber es gibt Tendenzen in Richtung einer neuen Bescheidenheit. Gehen die Leute in sich? Zusammenfinden ist gefragt, mehr Achtsamkeit, Wellness, die Leib und Seele aufbaut, offene Kirchen, auch bei Verödung religiösen Verstehens insgesamt. Es wächst die Sehnsucht nach Zufriedenheit.
Zufrieden sind wir, wenn wir zum Frieden kommen, also zu einem dem Streit entgegengesetzten Zustand einer äußeren und inneren Ruhe. Zufriedenheit trägt einen leicht verächtlichen Klang nach Friedhofsruhe und Schläfrigkeit, aber eigentlich ist sie eine zauberhafte Macht; sie betreibt, dass wir einander begreifen und ohne Böswilligkeit auskommen. Die einen wollen nie wieder eifersüchtig sein, die anderen wollen nie wieder triumphieren. Gelingen macht zufrieden. Eine Arbeit tut gut, in der ich nicht nur irgendwas erledige, sondern in der ich mich verwirkliche. Das bewirkt ein sonnenhaftes, funkelndes Dasein mit innerem Wachstum.
Hilfreich ist weniger Zerstreuung und mehr merken, was mir gut tut. Bei allen Lockrufen und Einladungen halte einen Augenblick inne, Mensch: "Moment mal! Was dir da angeboten und eingeschmeichelt wird, willst du das denn?" Das braucht natürlich, dass du angeschlossen bist an die eigenen Wünsche. Was macht dir Freude? Stillt es eins deiner Verlangen? Ja, wonach verlangt dein Ich? Makellose Haut, gesünder leben, eine Reise vielleicht. Aber eigentlich brauchst du Nähe, willst gemocht oder geliebt sein. – Dann lebe in diese Richtung, zeig dein freundliches Gesicht, mehre die Freundschaft, stehe bei, erhebe den andern zu sich, tu die Arbeit der Liebe.
Bist du mit dir im Frieden, dann bewahre diese Gestimmtheit; was dich stört, das meide oder bring es zügig hinter dich. Notwendiges lerne achten, hadere nicht mit dem Unausweichlichen. Mit dem Unzulänglichen, auch mit deinen Schwächen, finde ein Auskommen. Und sei zufrieden, wenn dir bewusst wird, dass du genießt – dann bist du dankbar, du musst es nicht begreifen. Wie wir überhaupt das Leben nicht zu verstehen brauchen. Uns darin zurechtzufinden reicht.
Pfarrer Frank Schuster
Glaube ist Hoffen – ist jedenfalls das Gegenteil von sich fürchten, verzweifeln, auch von Pessimismus und Schwarzseherei. Hoffnung ist ein Überlebensjubel, ein Hoffnungstrotz sogar, ein Widerstandleisten des Einzelnen gegen den Zerfall. Was uns anspornt, ist die Hoffnung, dass vorne ein Ausweg ist. Nur was wir glauben, hoffen, lieben, treibt uns an, trägt uns. Nicht alles, was man erhofft, taugt was, aber nehmen wir Hoffen mal von seiner besten Seite: Gegen sichtbares Scheitern setz‘ auf die neue Chance, die du noch nicht siehst, Mensch. Trübsinn ist die Folge einer falschen Haltung zum Leben: Du siehst dich bestohlen, um deinen Erfolg gebracht, dich ausgebootet und an den Rand gedrängt und rächst dich mit Beleidigtsein, mit Schwarzmalerei und Spielverderben, mit Einstellen von Beziehungen, Verweigern von Lust in vielerlei Form. Dieser Missmut ist auch Argwohn gegen Gott und die Welt. Und wenn Trübsinnigkeit an uns nagt, diese Angst, alles fährt vor die Wand, diese Endzeitstimmung und eine Art von Gefühlskälte um sich greift, dann müssen wir dagegen aufstehen.
Die Zeitspanne der einzelnen Leben hier ist begrenzt, aber die Gnade möge uns gewährt sein, dass wir, wenn wir gehen, das Leben, das uns nährte, auch bereichert haben. Vielleicht einen Unfall verhindert, ein Leben über Wasser gehalten, ein Schicksal erträglicher gemacht, einen Igel überwintern lassen, eine fast zur Ruine verkommene Kirche wieder mit aufgebaut. Ja, es ist auch manches Grauen bei uns, viel Zerstörung. Und doch bleibt der Glaube an eine gottgeliebte Menschheit! Die hat noch viel zu tun und findet vor: Äcker und Quellen, Bodenschätze und das Wissen ums Einfangen der Sonnenenergie. Wir sind erst am Anfang, zwingend notwendig nachhaltig zu wirtschaften, sodass der Nachhall gut ist, dass weiter Wachstum, Saat und Ernte gelingen. Dass Leben weitergeht, so wenig wie möglich von uns beschädigt, so viel wie möglich gefördert – das ist doch des Lebens wert.
Du, hoffe mit, wisse mit, dass Du gewollt bist in einer gewollten Menschheit – um zu bemerken die Schönheit, die Wunderbarkeit all dessen, was ist. Also bestaune das Glücken des Tages, die Farben, die Anmut. Die Menschheit ist gebeutelt, aber der Glaube ist bei uns. Er ist aber eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, ja – dass wir lernfähig sind und die Menschheit das Vertrauen nicht wegwirft: gut zu leben, zu lieben, zu teilen, Freude zu machen, sich und anderen. „Wenn wir zu hoffen aufhören, kommt, was wir befürchten, bestimmt.“ (Christa Wolf). Also: Mut zum Wirken, Besorgen, Schönmachen – ja, mach was schön, mach wen schön; Du, er, sie gehört zu Gott, auch wenn du ihn nicht siehst.
Pfarrer Frank Schuster
Wenn‘s Weihnachten nicht gäbe, müsste es erfunden werden. Aber das ist es ja eben. Es ist geschenkt, nicht konstruiert – ist Offenbarung, nicht Erfindung. Dass der Schöpfer der Welt in einem Stall geboren wird, hungert, fliehen muss, von allen Freunden verlassen, gekreuzigt wird – das steht quer zur menschlichen Logik und unseren Träumen vom Erfolg. Das muss uns gesagt, das muss uns posaunt werden: Die alles entscheidende Zeitenwende hat schon vor rund 2000 Jahren stattgefunden, der Furchtaustreiber ist uns geboren.
Klar, dass wir uns im tiefsten Winter nach Sonne sehnen – in diesem Jahr des Krieges und der unsicheren Energielage besonders. Auch dass wir uns wenigstens einmal im Jahr für unsere Lieben den Kopf zerbrechen und für ein paar Stunden friedlich zusammenhalten, tut gut. Aber all diese Zutaten sind nur schöner Schein, wenn Jesus nicht geboren wäre. Der Kern von Weihnachten ist: Gott wird Mensch. Er lebt Jesu Leben und meins und deins mit, Mensch. So ist Gott nicht Zuschauer bei all unserem Driss, sondern Mitleidender. Und wir sind auf ewig kostbar und geliebt. Dieser Jesus sieht uns alle mit Heiligenschein: Du, Gott liebt dich und Gott braucht dich. Auch wenn du diese Zusage gern von dir weist, hoffst du im Innersten doch, dass sie gilt. Hast daher hoffentlich deinen Mitgefühl-Speicher randvoll gefüllt und bist bereit für einen Doppel-Wumms an Nächstenliebe und Barmherzigkeit gegenüber den Bedürftigen. Die Geschichte von Christi Geburt gehört zum Urwissen, das unseren Lebensmut speist. Je einsamer und verletzter wir uns in diesen Tagen fühlen, umso inniger hoffen wir, dass uns ein Licht aufgehe.
Ja, noch steht die Vollendung der weihnachtlich heilen Geschichte aus, Friede auf Erden ist noch nicht. Aber die Erzählung von Jesu Geburt zeigt die Welt schon im Zustand der Gnade; da tragen wir in der Faust noch Gewalt, aber im Herzen schon Güte. Man muss diese Geschichte lesen, oder als Bachs Oratorium hören, sonst hat man eine Sensation seines Lebens noch vor sich. Darum hält das Fest der Feste auch manch überflüssige Dekoration aus. Uns gefrorene Seelen wird der Leuchtfeuermensch Jesus hoffentlich auch 2023 wieder einheizen und zum Lieben überreden.
Pfarrer Frank Schuster
An meinem Fenster im Büro hängt seit ein paar Wochen ein Engel. Er ist gerade erst angekommen und ist noch ganz neu. Seine Flügel sind aus gelbem und sein Körper aus rotem Glas. Er ist mit Silberdraht verlötet und ist handgemacht. Wenn nun am Morgen die Sonne durch mein Fenster scheint, dann bricht dieser Engel in wunderschönen Farben das Licht. Der kleine Engel aus Glas hat eine weite Reise hinter sich und er trägt eine Geschichte mit sich im Gepäck. Dieser kleine Engel kommt aus Bethlehem. Er ist ein sogenannter Scherbenengel.
Im Advent 2002 begannen junge Menschen in der Stadt Bethlehem Scherben zu sammeln, die nach Luft- und Bombenangriffen auf den Straßen lagen und sie stellten daraus kleine Glasengel her. Als ein Zeichen der Hoffnung mitten in Zerstörung und Krieg und als eine Möglichkeit um ein wenig Geld zu verdienen. Seit dieser Zeit werden diese Engel in die ganze Welt verschickt und kommen ab und an auch hier in Neustadt an. Dass aus zerbrochenem Glas so etwas Schönes und Freundliches entstehen kann, das lässt auch mich nicht unberührt. Und, dass junge Menschen an diesem Symbol der Hoffnung auch nach 20 Jahren festhalten, das beeindruckt mich fast noch etwas mehr.
Gerade in diesem Jahr, wo so vieles zu Bruch gegangen ist, braucht es junge Menschen wie sie. Menschen, die mir Mut machen, trotz aller Scherben an meiner Hoffnung festzuhalten und mich dabei nicht länger alleine zu fühlen. Denn die Hoffnung auf Frieden, sie verbindet mich nicht nur mit diesen jungen Menschen aus Bethlehem, sondern sie verbindet mich mit vielen Menschen auf der ganzen Welt. Dieser kleine Scherbenengel an meinem Fenster, er erinnert mich daran.
Pfarrerin Heike Sigmund
Elan, Power, Lebenszunder brauchen wir in Fülle. Die Natur kann einfach so da sein – wir Menschen brauchen Antrieb, Sehnsucht. Was treibt uns an, gerne auf der Welt zu sein? Denn nicht aus Frust wollen wir hier sein. Schon eher zur Übung, um später mal sehnsüchtig hinüberzugehen in eine bessere Welt. Leben als Schule, bis wir versetzt werden in die Erntezeit; hoffentlich reif geworden, Erfüllung zu genießen. Hiersein aber ist doch herrlich, meint Rilke. Leben dürfen ist ein großer Wurf. Solange du das Leben willst und nicht verstößt, Mensch, hat Gott auch Lust, den Karren Wirklichkeit weiterzuziehen. Du ziehst ein Foto aus dem Schlamm oder gibst ein Quantum „Brot für die Welt“ – und beides ist eine kleine Rettung vorm Weltuntergang.
Schütte keinen Tintenklecks über dein Lebensheft. Es ist so leicht, alles in den Dreck zu ziehen. „Überleg einmal genau, wer wirklich schuld an deinem Griesgram ist! Du leidest nämlich keineswegs an dem, was du wirklich siehst – du leidest bloß an deinen ekligen Ansichten.“ (Botho Strauß) Wenn da was dran ist, dann hast du alle Chancen, dich gesund zu glauben. Bitte, lerne gut von dir zu denken. Du sollst dich doch lieben wie deinen Nächsten und das gute Ganze.
Du hast was zu geben, hast was zu teilen, kannst was erzählen, willst was bewirken. Begeisternd die Kinder, wie sie alles selber machen wollen; „selber“ ist eine Weile ihr Zauberwort. Und sie stemmen die schwere Tasche, versuchen die Kartoffel zu schälen, kneten den Teig, wollen bestaunt werden. Etwas treibt uns, was zu schaffen. Etwas in uns rappelt uns wieder hoch. Wir wollen unser Wachstum zeigen. Solange du noch was kannst, bist du nötig. Und wenn du mal Hilfe brauchst, nützt du erst recht: Du machst bei anderen Wohltaten locker, entzündest Dank für Fähigkeiten.
Freu dich, geliebt zu werden und zu lieben. Umarme, küsse, sei zart – da ziehst du doch den Honig des Lebens raus. Eine andere schön machen durch dein Wahrnehmen, einen anderen gut machen und ihm durch dein Wort zum Recht verhelfen. Die Genugtuung ist doch reizvoll, einigermaßen klar zu kommen, dich und die Deinen ernähren zu können durch Nutzen für andere – und nicht so viel Müll zu hinterlassen.
Freude lass dein Geheimnis sein. Das Leiden hinterlässt in der Erinnerung lange, bittere Geschichten. Die Freude schenkt uns nur Augenblicke des Glücks. Darum keine Freude auslassen, viel Freude mit anrühren. Blumen, Spaziergänge in der Sonne, unterm Sternenhimmel, Gespräche, Musik, Wein, Lachen. Beschaff dir Lebensmut.
Pfarrer Frank Schuster
„’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre, und rede Du darein!“ dichtete Matthias Claudius 1778. Knapp 80 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs ist es leider wieder so weit: Krieg in Europa – und man wünscht sich erneut den dreinredenden Engel.
Europa war und ist für viele Menschen unserer Tage verbunden mit der Erfahrung eines lange währenden Friedens. Jetzt jedoch spüren wir, wie zerbrechlich, ja trügerisch diese Vorstellung war. Ein Gefühl, so ähnlich wie bei den anderen Katastrophen der letzten Zeit: Seuchen, Überflutung, Krieg – das alles gibt es, aber nicht bei uns im zivilisierten Europa, dachte man. Nun ist Krieg in der Ukraine. Millionen Menschen haben Angst um ihr Leben, flüchten sich vor Bomben in Keller, U-Bahnhöfe oder an sicherere Orte.
Wenn ein Machthaber sein nachbarliches Brudervolk unter Bruch des Völkerrechts mit Gewalt überzieht, nachdem er zuvor die diplomatischen Bemühungen, zusammensetzen und miteinander reden, an einem 6 Meter langen Tisch karikiert hatte, bleibt erst mal nichts anderes übrig als härteste Sanktionen. Von Gegengewalt indes müssen wir Abstand nehmen. Von Albert Camus stammt die Erkenntnis: „Die heuchlerische Ungerechtigkeit ruft die Kriege hervor. Die gewalttätige Gerechtigkeit überstürzt sie." Beides könnte gelten für die, die jetzt an militärische Einsätze denken.
Man kann nur beten um Einsicht auf allen Seiten. Vor allem um die Einsicht, dass wir alle Brüder und Schwestern sind. Frieden schaffen heißt, den anderen verstehen wollen und ihm Anteil geben an den Früchten der Erde und des Geistes. Man kann nur heulen, wenn man die weinenden, schreienden Menschen bedenkt, und vor sich sieht die im Artilleriefeuer Sterbenden, die Millionen Flüchtenden. Es darf aber nicht sein, dass wir mit legalen Mitteln Krieg machen, um einen Krieg zu beenden. Wer sind wir denn, die gern das Reich des Bösen ausrufen, als wären wir die guten Lichtgestalten? Wir müssen unsere Anteile am Übel ebenso wahrnehmen, müssen zu unseren Fehlern stehen, zum Verprassen des endlichen Erdöls und Gases und zum (Waffen-)Geschäftemachen mit Diktatoren. Und was könnten wir mit 100 Milliarden Euro nicht alles Gutes tun für diese arme Erde und ihre Bewohner? Aber wir sind längst nicht so vollkommen gut wie Gott. Wir sind noch auf dem Weg von der Gewalt zur Güte – und nur die Liebe schafft manchmal Vergebung und Neuanfang.
Beten wir daher um Klugheit und Phantasie, dass wir den Krieg ausfallen und uns den Frieden einfallen lassen. Denn Krieg ist keine Möglichkeit, Frieden zu sichern. Am Ende hingegen wird der Friede siegen. Weil Gott selbst ihn geschaffen hat und immer wieder neu erschafft. Das ist auch die Hoffnung, die im Lied von Schalom Ben-Chorin aus dem Jahr 1942 ihren Ausdruck findet und die wir dieser Tage an der Weinstraße besonders gut nachempfinden können: „Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht in Fingerzeig, dass die Liebe bleibt? Dass das Leben nicht verging, so viel Blut auch schreit, achtet dieses nicht gering in der trübsten Zeit. Tausende zerstampft der Krieg, eine Welt vergeht. Doch des Lebens Blütensieg leicht im Winde weht. Freunde, dass der Mandelzweig sich in Blüten wiegt, das bleibt mir ein Fingerzeig für des Lebens Sieg.“
Pfarrer Frank Schuster
Früher wusste jedes Kind, was Weihnachten bedeutet: Gott schickt seinen Sohn in die Welt, um uns mit sich zu versöhnen. Heute ist Gott vielen fraglich, und was ein Sohn für Qualitäten hat, kommt immer drauf an. Sohn und versöhnen ist zwar ein schönes Wortspiel, aber der Hintersinn ist verloren, wo Fragen nach Schuld und Gericht vorsichtshalber lieber nicht gestellt werden.
Und dennoch ist Weihnachten wichtiger denn je. Alle feiern es; auch wer seine Herkunft nicht kennt. Tokio ist voller Weihnachtsbäume, wenn auch nur gut 1% der dortigen Bevölkerung Christen sind. In einer Kirche an der Ostsee fragte ein Besucher den Ortspfarrer: „Wir sind hier zur Besichtigung. Können Sie uns sagen, was da vorn die hängende Figur bedeutet?“ Ahnungslosigkeit ist hierzulande ausgebrochen wie vor indischem Tempelschmuck. Und dennoch ist Christi Geburt das Retterbild der Menschheit.
Unterschwellig ist das Kind in der Krippe das Inbild der Bewahrung überhaupt. Das Kind, das uns seine Arme entgegenstreckt, mit wissendem Lachen beschwört es uns: Gut, dass du da bist. Ja, es ist unserer Hilfe bedürftig, aber noch viel dringender brauchen wir seine Zukunftshoffnung und seine Lust, das Leben anzupacken. Darum ja das Bild von der Krippe: Es ist wahr, es ist die Welt im Zustand der Gnade, Gottes Versprechen: Er verheißt den Frieden auf Erden und dass wir Wohlgefallen aneinander haben. In Armut wird der geboren, der die Gotteskindschaft von uns allen ausruft. Engel müssen‘s ausposaunen.
Der christliche Glaube begeistert mich immer aufs Neue: Gott schafft nicht nur das Leben sondern geht es. Er geht Jesu Lebenslauf mit: Am Anfang der Stall, am Ende der Galgen – jeder Mühe, jedem Mangel unterzieht sich Gott. Und geht selbst in den Tod, geht aber durch ihn hindurch und wir ihm nach. Darum leuchtet der Stern Jesu über der Menschheit. Sein Leben ist zum Kennzeichen der Herkunft und Qualität des Menschseins geworden: Jede*r ewig gültig, einzig, wunderbar. Darum bezeichnen wir auch unser Geburtsdatum mit dem Stern von Bethlehem und unseren Todestag mit seinem Kreuz.
Ein Stern geht auf. Auch dir. Auch du ein Christkind, Sohn oder Tochter Gottes. Wir sind froh, dass Jesus geboren wurde. Wir sind doch wenigstens angehaucht von seiner liebevollen Weltsicht und sollten uns daher in den nächsten Wochen mit besonderer Achtung begegnen. Außerdem: Besuchen wir (nicht nur) zu Weihnachten eine Ladestation mit Gottesenergie. Fröhliches Weihnachtsfest!
Pfr. Frank Schuster
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Ja, die Tage werden kürzer; aber dafür die Abende länger, und was kann man da nicht alles Wunderbares anstellen. Kerzen, diese kleinen Sonnen, kommen jetzt zu Ehren.
Die Bäume haben ihre Blätter verloren, doch das schafft mehr Sicht. Kein zusätzlicher freier Tag zwar im November, dafür jedoch kommt Weihnachten mit Macht. Besuche auf dem Friedhof sind dran, wo spürt man sonst: Ein Glück, wir sind noch da! Kein Flanieren mehr unter Linden, dafür lass vernachlässigte Freundschaft aufleben. Keine Würstchen vom Grill und flott herübergebetene Nachbarn, aber konzentrierte Gespräche, zur Not am Telefon. Kein Jogging in aller Frühe, aber wieder einen Gottesdienst mitfeiern. Kein Weinfest, doch ein verzaubernder Familienabend bei gutem Essen; oder mal wieder ein Roman, als hätte man noch ein paralleles Leben.
Weniger Unternehmungen im „Corona-Herbst“, aber nicht zwingend auch weniger Lebensqualität. Endlich den Sprung schaffen, die zu große Wohnung aufzugeben. Jetzt vielleicht doch das Hobby wieder funkeln lassen oder endlich den Schrebergarten erwerben oder das Ehrenamt antreten.
Vielleicht weniger Sicherheit, aber mehr Chancen, du selbst zu werden; leg doch zu an Kompetenz und Weisheit, Mensch. Weniger Farben draußen, doch dein Inneres entdecke als farbenfroh – mit jedem Mitmenschen bist du selbst ein anderer, mit einem geliebten Menschen legst du neue Landstriche in deiner Seele an.
Mensch, werde pessimismusresistent, widerstehe niederdrückenden Nachrichten mit freundlichem Gesicht. Wer klagt, den lade auf einen Kaffee – mit Abstand – ein, und lass ihn klagen, er braucht keinen Rat, er braucht ein Ohr. Und kräftezehrende Illusionen baue ab; erkenne an, was ist. Dulde keine Benebelung mehr; gerade wenn es draußen fahl ist, kann dir innere Erleuchtung kommen.
Wir sind in schwierigen Zeiten, mach‘ deine Sache gut, den Rest überlass‘ den Zuständigen. „Woran mir nichts gelegen, da unterlasse ich alles Nachgrübeln.“ schrieb Goethe. Versag dir keine Lust. Dass sie nicht mit dem Leid anderer Leute erkauft sein darf, versteht sich. Küss die Freude, wie sie dir zufliegt, setz dich Überraschungen aus. Wir brauchen das Leben nicht zu verstehen, sondern es reicht, uns darin zurechtzufinden – die Nase Richtung Freude. Übrigens, verschenkte Blumen tun im November besonders gut.
Pfr. Frank Schuster
Mensch, überleg dir gut, was deine Seele braucht, damit sie gerne in deinem Körper wohnt – das wusste in leichter Abwandlung schon vor knapp 500 Jahren Theresia von Avila. Ein Wort vor allem ergibt dabei Sinn: Urlaub – die Zeit, in der es mir erlaubt ist, mich von meinen Pflichten zu entfernen. Im Urlaub kann ich meinen Neigungen nachgehen. Doch scheint es eine Menge Zeitgenossen zu geben mit starker Neigung zu Pflichten. Sie sind geradezu verliebt in Termine, Zwänge und Stress. Sie brauchen Druck, schinden ihre Nerven in strapaziösen Autotouren, quälen ihre Körper in Fitness-Programmen. Sie hetzen von Kunstwerk zu Kunstwerk, von der einen „location“ zum anderen „event“, sammeln Verabredungen, häufen vermeintliche Schnäppchen an.
Dahinter steckt wohl der Aberglaube, wir müssten uns unser Glück verdienen. Immer ist scheinbar vor uns das Glück, gleich hinter der nächsten Ecke, nach getaner Arbeit. So sind wir andauernd damit beschäftigt, Freude und Erholung vorzubereiten, erreichen diesen Zustand jedoch nicht.
Urlaub beginnt nämlich im Kopf. Setz dich hin, schau aus dem Fenster. Spür deinen Atem kommen und gehen. Merke, dass du gerne du bist – jetzt, in diesem Augenblick. Nimm dir Zeit, nichts zu müssen, nur da zu sein, ganz gegenwärtig. Lass auch die Gedanken kommen und gehen und bleibe in diesem Selbstgespräch deiner Seele mit dir. Und aus den kleinen Gedankenfäden webt sich von selbst ein Teppich. Bilder gehen dir auf von dem, was dir gut tut. Ein Muster entsteht dann in dir, wird immer klarer. Du weißt, was du willst. Dann steh auf und tu den ersten Schritt auf dieses Ziel hin. Und das Glück ist gar nicht mehr weit weg, sondern im Gehen ereignet es sich.
Urlaub ist die von Pflichten weitgehend freigeräumte Zeitstrecke. Nutze sie vor allem zum Weiterweben deiner Gedanken, deiner schönen Gefühle, deines förderlichen Wissens um Menschen, Natur, Kunst und Religion. Urlaub ist Neugierzeit – lass dich verblüffen, finde etwas schön, stifte Freude, lade ein, gönne dir etwas Gutes. Und du wirst mehr du selbst.
Pfr. Frank Schuster
Vor ein paar Jahren schaltete in England ein Pfarrer eine Anzeige in der örtlichen Presse, deren Text lautete: „Hiermit geben wir den Tod der Kirche bekannt. Die Trauerfeier findet am kommenden Sonntag im Gottesdienst statt.“
Erwartungsgemäß war die Kirche an jenem Sonntag bis auf den letzten Platz besetzt. Erschreckt stellten die Besucher des Gottesdienstes fest, dass der Pfarrer tatsächlich einen Sarg in den Altarraum gestellt hatte. Als sie nach der Predigt Gelegenheit hatten, nach vorne zu kommen, um sich am offenen Sarg nochmal von der toten Kirche zu verabschieden, bekamen sie einen Riesenschrecken. Der Pfarrer hatte nämlich einen großen Spiegel in den Sarg gelegt, in dem sich die vorbeischreitenden Gemeindeglieder selbst sahen. Daraufhin fingen viele wieder an, sich für ihre Kirche zu engagieren.
Kirche ist also nicht die so gern kritisierte lnstitution, nicht das oft marode Gebäude, auch nicht ihre Funktionsträgerinnen und -träger. Kirche lebt von Menschen, die mitmachen, weil sie begeistert sind von dem und Anschluss suchen an das, was Jesus vorgelebt hat. Kirche lebt von der Heiligen Geistkraft, die phantasievoll in Menschen tätig ist; lebt vom Wort Gottes, das erlösend und befreiend wirkt.
Leider gibt es hier in letzter Zeit immer weniger solcher Menschen – aus demographischen und sonstigen Gründen. lm Gegensatz zu den Kirchen in der von uns so genannten Dritten Welt schrumpfen sie bei uns zunehmend, können sie deshalb die vielfältigen Aufgaben nicht mehr bewältigen, die sie in den „fetten Jahren“, für die Gesellschaft übernommen haben: im Bereich der Kindertagesstätten, der Krankenpflege, der Beratungsstellen usw.
So wird sich unsere Kirche innerlich wie äußerlich verändern. Wir werden manches sterben sehen, aber das wird auch die Möglichkeit neuer lntensität und neuer Lebendigkeit in sich tragen. Kirche ist ärmer geworden und wird noch ärmer werden. Sterben wird die eurozentrische Form des Christentums und ihre Theologie – reicher und vielfältiger wird Kirche aber dadurch werden. Sterben wird das in Konfessionen verengte Christentum – Kirche wird erwachsener. Sterben wird das altväterliche Kirchentum, das vorgibt, alles besser zu wissen und zu können – gütiger und demokratischer wird die Kirche jedoch davon.
Es stehen unserer Kirche künftig nicht nur Schreckensszenarien bevor. Was wir erleben, sind eher die Geburtsschmerzen einer neuen Form von gelebtem Christentum.
Pfr. Frank Schuster
„Wie viel Prozent der biblischen Texte handeln von einem Leben nach dem Tod?" Die Frage verblüfft mein Gegenüber merklich. „Ich würde sagen zwischen 50 und 60%?l" Als ich ihn wissen lasse, dass es keine 10% sind, macht sich Verwunderung breit. „Und wovon handeln dann die weitaus meisten Texte der Bibel?" „Vom Leben vor dem Tod natürlich – vom schrecklichen und zugleich wunderbaren Leben auf dieser Welt."
„Ich dachte immer, es geht in erster Linie darum, wie Leute in den Himmel kommen, wenn sie gestorben sind." „Ich würde eher sagen, es geht darum, wie der Himmel zu uns kommt, wie es auch schon im Vaterunser heißt: Dein Reich komme – und nicht: Lass uns in dein Reich kommen."
„Und was ist mit der Auferstehung?" fragt er. „Es muss und wird sie nicht erst nach unserem Tod, sondern es kann sie schon jetzt und hier, mitten im Leben, geben. Ich kann ab sofort als österlicher Mensch leben, kann die Macht der Auferstehung in meinem Leben und für meine Mitmenschen wirksam werden lassen.“
„Das hieße ja, dass es auch den Tod schon mitten in unserem Leben gibt", folgert er. „So ist es. Wir können ihn sogar täglich sehen: Wenn Kinder verhungern, Flüchtlinge ertrinken, Kriege geführt werden – aber auch dann, wenn Menschen täglich klein, stumm und kaputt gemacht werden. Aber wir brauchen nicht tot zu bleiben, also uns nicht länger von der Macht des Todes einreden zu lassen, es gebe zu dieser Art von Leben keine Alternative. Denn es gibt sie, sagt die Botschaft der Auferstehung. Durch sein von Liebe bestimmtes Leben hat Jesus uns gezeigt, dass wir keineswegs festgelegt bleiben müssen auf unser todbringendes Handeln. Ostern lehrt uns, dass nichts so bleiben muss, wie es ist. Und dass vor allem wir nicht bleiben müssen, wie wir sind. Wenn wir als österliche Menschen leben, spüren wir, dass wir zu einem ganz anderen Verhalten fähig sind, zu ganz anderen Lebensentwürfen und dass wir – wenn wir festgelegt blieben auf unsere eigene Kargheit – weit unter unserem von Gott gewollten Niveau bleiben."
„Das klingt für mich wie eine Art ,Machtwechsel‘.“ „So kann man's sehen", erwidere ich. „Wer im Einflussbereich des Auferstandenen lebt, gewinnt Anteil am neuen Leben. Das alte hat keine Macht mehr über ihn, neue Lebensmöglichkeiten tun sich auf. Aus solcher Hoffnung lässt sich leben!"
aus: Mittelhaardter Rundschau, 01. April 2016
Es ist zum Heulen, nicht nur in der Passionszeit, wie viel Chaos offenbar in uns Menschen steckt. Zum Heulen und noch mehr zum Staunen ist es, wie wir dennoch durchkommen, im Schnitt jedenfalls, bis ins recht hohe Alter. All die schreiende Angst als Kind, die Einsamkeit in der Schule, die Kränkungen, all die hilflosen Annäherungen, die Pleiten im Beruf, die Strapazen, mich zu behaupten zwischen Lieb-Kind-Sein und Kämpfer. Mensch, wie erklärst du dir dein Überleben, und dass du immer noch Interesse hast an dir selbst?
Immer wieder ist der Weg zur Reife gepflastert mit Erschrecken und Scheitern. Vielleicht hast du Haltepunkte, an denen du dich orientieren kannst. In deiner Handtasche, deiner Brieftasche hast du Bilder, auf denen belegt ist, was dir wesentlich ist: die Kinder, der eine Mensch, das Stillleben mit Katze und Rosen, das Foto von dir im Urlaubsglück. Auch trägst du ein Bild in dir, wie du noch werden könntest, wenn dir Klarheit und Zeit zum Gelingen noch gewährt ist. Doch, du willst dir Ordnung schaffen. Eine Ordnung, in der du gehalten bist. Aber du kannst dein Kuddelmuddel nicht loswerden. Sei froh, wenn du im Tohuwabohu deiner Gefühle, Pflichten, Ängste und Wünsche einen Weg für den nächsten Schritt findest. In Augenblicken der Übersicht schaust du erstaunt zurück und merkst: Du bist getragen von guten Mächten, bist hindurchgeschleppt worden zu immer wieder einem neuen Tag, einer neuen Chance. Und du kannst noch mal schauen nach dir; schauen, was dich stärkt oder schwächt; kannst noch mal sortieren, was du wirklich willst.
Also schneide nicht ab, was in dir von Gott ist, deck‘ es nicht zu mit Suff oder Schuften oder Flucht in äußere Unordnung. Vermeide nicht die Angst, sondern lerne, durch sie hindurchzugehen. Glaube an den guten Kern in dir, ein geheimes Behütungsmuster, das in dir Kräfte freisetzt, doch noch Frieden zu machen. Fang‘ die Reformation deines Innenlebens an; du hast die Erlaubnis zur Freiheit, die aufbaut und nicht gefangen nimmt. Ist das nicht himmlisch?
Frank Schuster, Pfarrer an der Martin-Luther-Kirche in Neustadt-Winzingen
(aus: Mittelhaardter Rundschau, 17. März 2017)
Drei Wochen läuft das neue Jahr, und du gehst wieder im alten Trott. Die gleiche Maloche, die üblichen Sprüche, alles wie gehabt. Dabei wolltest du doch was ändern, Mensch. Das Rauchen aufgeben klappte nicht, die neuen Joggingschuhe stehen unbenutzt im Schrank. Aber das ist nicht das Schlimmste. Viel dramatischer ist, dass du noch nichts für deine Seele getan hast, für dein Ich, deine Person, dein Zentrum. Wann hast du dem zum letzten Mal nachgespürt? Ist das schon lange her? Und was dann oft bleibt, ist das miese Gefühl von Leere, als wäre man sich selbst abhanden gekommen und würde nur noch funktionieren: als Arbeitnehmer, Familienmensch, Rädchen im Getriebe. Das war’s doch, was du im neuen Jahr ändern wolltest. Du wolltest wieder deine Seele finden. Aber was tun über den guten Vorsatz hinaus?
Nimm dir Zeit für dich. Ermittle, was du wirklich willst und brauchst. Merke, was du machst und was andere mit dir machen. Schreib dein inneres Fahrtenbuch. Kein anderer als du selbst kann dein inneres Maß verschieben. Du hast Begabungen, kannst dir und anderen nützen. Merk dir eine Falle, in die du nicht mehr tappen willst; eine Sorte von Kraft- und Zeitvergeudung, die du nicht mehr zulässt. Erinnere dich: Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen. Schotte du dich nicht ab, mauere nicht – du hast doch Lust zur Veränderung. Unveränderlichkeit ist ein Kennzeichen des Todes, nicht des Lebens. Dabei bedenke: Wir haben auf nichts ein Anrecht, jeder nächste Atemzug ist Gnade. Und es ist ein Wunder, dass das Leben dich noch mag und nährt, wo du doch nicht besser bist als die Vielen, die schon früher gehen mussten.
Ein neues Jahr ist ein unausschöpflicher Kredit an Gelegenheiten, glücklich zu werden. Glaub‘ es: Vor dir liegt Chancenland. Mit dir selbst zurechtzukommen, ist schon viel. Dies und hoffentlich so manches mehr soll dir glücken im neuen Jahr.
Frank Schuster (52), Pfarrer an der protestantischen Martin-Luther-Kirche in Neustadt-Winzingen
Aus der Rheinpfalz vom 08.12.2017:
Über den Kirchturm hinaus: Advent – endlich
Als käme man nicht mehr über den Berg – so geht es jetzt vielen. Die Sonne fehlt doch. Die düsteren Tage legen sich aufs Gemüt. Da ist eine Kerze das reinste Leuchtfeuer. Sie ist ein Versprechen: Bald vier Kerzen, bald ein Baum voll Licht. Aber die Eintrübung des Gemüts durch viel Dunkel ist nur eine Sorte von Schwächung. Dass man Geplantes, Erhofftes nicht mehr schaffen könnte, diese Ahnung haben viele. Sie können Advent gebrauchen wie ein Kletterer im Gebirge für die letzten hundert Meter ein Seil, das ihm von oben zugeworfen wird.
Advent ist ein Rettungsseil stärkerer Gefühle, eine Gemütsnahrung sondergleichen: Vor dir Heilung, vor dir Rettung, Wärme, Liebe. Ein Sog von friedensstiftenden Maßnahmen nimmt dich ein: Es wird nicht dunkel bleiben um dich, deine Kraft wird reichen, Mensch. Was über deine Kräfte geht, dafür bist du nicht zuständig. Hilfe, wenn du sie erbittest, wird sich einstellen. Und der Sinn des Lebens, den du so oft bezweifelst? Advent wird dir heimleuchten, dir geht ein Licht auf: Sinn ergibt, für Lebendiges hilfreich da zu sein. Dass ein Mensch dir eine Freude, ein Lachen, einen guten Gedanken verdankt, das ist Sinn – anfassbar und hautnah.
Advent ist auch Ermunterung pur, auf Veränderung zum Besseren zu setzen. Riskier doch mal, dass welche über dich staunen. Leg die Angst ab, einen Korb zu kriegen. Leg dir einige gewinnende Sätze zurecht – Advent ist auch die Zeit der guten Worte, bestens geeignet für einen Versöhnungsanruf, einen längst fälligen Brief oder Besuch. Die Tür einfach zuschlagen wird keiner. Advent, das klingt nach Vorfreude, nach Zeichen von Glückendem. Auch als Heilmittel gegen Ungeduld, Neid und Geiz könnte man Advent verschrieben bekommen. Es ist eine Ahnung in der Welt, dass der mit Namen Jesus doch Recht haben könnte mit seinem „Fürchtet euch nicht – Gott ist die Freude, die Liebe, die Zukunft.“ Im Advent fängt mit dir, in dir etwas davon an. Fang Feuer, Mensch, interessiere dich brennend für andere und werde ein Lichtblick in der Dunkelheit.
Pfarrer Frank Schuster
Aus der Rheinpfalz vom 23.12.2016:
Über den Kirchturm hinaus: Weihnachten – und kein Friede auf Erden
Die Frage, ob Engel lügen können, scheint zu Weihnachten 2016 nicht unberechtigt. Verspricht doch der Engel der Weihnachtsgeschichte im Lukasevangelium „Friede auf Erden“. Jedoch die Ereignisse dieses Jahres, die Terrorakte von Brüssel, Ankara, Nizza und jetzt Berlin, dazu der andauernde Krieg in Afghanistan und Syrien, die humanitäre Katastrophe in Aleppo – sie strafen die himmlische Botschaft scheinbar Lügen. Siegt also doch die Macht der Gewalt über die der Liebe, die an Weihnachten in die Welt gekommen ist?
Dieser Jesus, dessen Geburt wir alle Jahre wieder feiern, hat uns später aufgefordert: Überwindet das Böse durch das Gute! Wollen wir ihn zum Utopisten stempeln, wenn wir bei Weihnachten nur an sentimentalen Kitsch und Konsum denken statt an die weltverändernde Botschaft, die an diesem Fest bei uns angekommen ist? Wenn die Gleichung „Hass erzeugt Hass“ stimmt, könnte dann nicht auch die Gleichung „Liebe erzeugt Liebe“ stimmen?
Ängstlich und verunsichert gehen viele Menschen ins neue Jahr. Wut macht sich vielerorts breit, die im Internet einen Resonanzraum und in mancher Wahlkabine ihren Niederschlag findet. Ob wir friedens- und zukunftsfähig sind, hängt davon ab, dass wir Visionen entwickeln, wie wir künftig miteinander leben können. Und diese Visionen sind keine des grenzenlosen Wachstums und des gnadenlosen Wettbewerbs, sondern Visionen der Freiheit für anders Denkende und Lebende, sowie der Gewährung gleicher Lebenschancen für alle.
Weihnachten macht mir dabei Hoffnung: Wir haben die Vision des Engels vor uns, den Frieden auf Erden als machbar zu begreifen. Was wir von diesem Fest lernen können, wäre, dem Anfang im Kleinen zu trauen, diesem Jesus seinen friedvollen Gott zu glauben, darauf zu vertrauen, dass auf herodianischer Wut und Gewalt kein Segen ruht und sie daher keine Zukunft hat.
Du Mensch, hast es in der Hand, dem Engel zu glauben, dass Gutes in dir ruht, das du nur zu wecken brauchst. Setze Kettenreaktionen des Guten in Gang, damit über dem Leben aller Menschen ein Stern des Friedens und der Gerechtigkeit aufgehen kann. Fang heute damit an. Friedvolles Fest.
Pfarrer Frank Schuster