Aus der Rheinpfalz vom 08.12.2017:
Über den Kirchturm hinaus: Advent – endlich
Als käme man nicht mehr über den Berg – so geht es jetzt vielen. Die Sonne fehlt doch. Die düsteren Tage legen sich aufs Gemüt. Da ist eine Kerze das reinste Leuchtfeuer. Sie ist ein Versprechen: Bald vier Kerzen, bald ein Baum voll Licht. Aber die Eintrübung des Gemüts durch viel Dunkel ist nur eine Sorte von Schwächung. Dass man Geplantes, Erhofftes nicht mehr schaffen könnte, diese Ahnung haben viele. Sie können Advent gebrauchen wie ein Kletterer im Gebirge für die letzten hundert Meter ein Seil, das ihm von oben zugeworfen wird.
Advent ist ein Rettungsseil stärkerer Gefühle, eine Gemütsnahrung sondergleichen: Vor dir Heilung, vor dir Rettung, Wärme, Liebe. Ein Sog von friedensstiftenden Maßnahmen nimmt dich ein: Es wird nicht dunkel bleiben um dich, deine Kraft wird reichen, Mensch. Was über deine Kräfte geht, dafür bist du nicht zuständig. Hilfe, wenn du sie erbittest, wird sich einstellen. Und der Sinn des Lebens, den du so oft bezweifelst? Advent wird dir heimleuchten, dir geht ein Licht auf: Sinn ergibt, für Lebendiges hilfreich da zu sein. Dass ein Mensch dir eine Freude, ein Lachen, einen guten Gedanken verdankt, das ist Sinn – anfassbar und hautnah.
Advent ist auch Ermunterung pur, auf Veränderung zum Besseren zu setzen. Riskier doch mal, dass welche über dich staunen. Leg die Angst ab, einen Korb zu kriegen. Leg dir einige gewinnende Sätze zurecht – Advent ist auch die Zeit der guten Worte, bestens geeignet für einen Versöhnungsanruf, einen längst fälligen Brief oder Besuch. Die Tür einfach zuschlagen wird keiner. Advent, das klingt nach Vorfreude, nach Zeichen von Glückendem. Auch als Heilmittel gegen Ungeduld, Neid und Geiz könnte man Advent verschrieben bekommen. Es ist eine Ahnung in der Welt, dass der mit Namen Jesus doch Recht haben könnte mit seinem „Fürchtet euch nicht – Gott ist die Freude, die Liebe, die Zukunft.“ Im Advent fängt mit dir, in dir etwas davon an. Fang Feuer, Mensch, interessiere dich brennend für andere und werde ein Lichtblick in der Dunkelheit.
Pfarrer Frank Schuster
Aus der Rheinpfalz vom 23.12.2016:
Über den Kirchturm hinaus: Weihnachten – und kein Friede auf Erden
Die Frage, ob Engel lügen können, scheint zu Weihnachten 2016 nicht unberechtigt. Verspricht doch der Engel der Weihnachtsgeschichte im Lukasevangelium „Friede auf Erden“. Jedoch die Ereignisse dieses Jahres, die Terrorakte von Brüssel, Ankara, Nizza und jetzt Berlin, dazu der andauernde Krieg in Afghanistan und Syrien, die humanitäre Katastrophe in Aleppo – sie strafen die himmlische Botschaft scheinbar Lügen. Siegt also doch die Macht der Gewalt über die der Liebe, die an Weihnachten in die Welt gekommen ist?
Dieser Jesus, dessen Geburt wir alle Jahre wieder feiern, hat uns später aufgefordert: Überwindet das Böse durch das Gute! Wollen wir ihn zum Utopisten stempeln, wenn wir bei Weihnachten nur an sentimentalen Kitsch und Konsum denken statt an die weltverändernde Botschaft, die an diesem Fest bei uns angekommen ist? Wenn die Gleichung „Hass erzeugt Hass“ stimmt, könnte dann nicht auch die Gleichung „Liebe erzeugt Liebe“ stimmen?
Ängstlich und verunsichert gehen viele Menschen ins neue Jahr. Wut macht sich vielerorts breit, die im Internet einen Resonanzraum und in mancher Wahlkabine ihren Niederschlag findet. Ob wir friedens- und zukunftsfähig sind, hängt davon ab, dass wir Visionen entwickeln, wie wir künftig miteinander leben können. Und diese Visionen sind keine des grenzenlosen Wachstums und des gnadenlosen Wettbewerbs, sondern Visionen der Freiheit für anders Denkende und Lebende, sowie der Gewährung gleicher Lebenschancen für alle.
Weihnachten macht mir dabei Hoffnung: Wir haben die Vision des Engels vor uns, den Frieden auf Erden als machbar zu begreifen. Was wir von diesem Fest lernen können, wäre, dem Anfang im Kleinen zu trauen, diesem Jesus seinen friedvollen Gott zu glauben, darauf zu vertrauen, dass auf herodianischer Wut und Gewalt kein Segen ruht und sie daher keine Zukunft hat.
Du Mensch, hast es in der Hand, dem Engel zu glauben, dass Gutes in dir ruht, das du nur zu wecken brauchst. Setze Kettenreaktionen des Guten in Gang, damit über dem Leben aller Menschen ein Stern des Friedens und der Gerechtigkeit aufgehen kann. Fang heute damit an. Friedvolles Fest.
Pfarrer Frank Schuster